Langsam ist ein gutes Tempo

Yoga-Lehrerin und Life-Balance-Coach Eva Spilker kennt den Spagat zwischen Familie und Beruf sehr gut, die Fragen: Wo bleibt Zeit für mich – neben Familie, Haushalt und Job? Wie schaffe ich es, in gesunder Balance zu bleiben und Lebensfreude zu verspüren? Um Antworten zu finden, hilft eine achtsame, professionelle Unterstützung. Da sie auch das aus eigener Erfahrung weiß, sind Mütter eine Zielgruppe, die sie gern begleitet: in ihren Kundalini-Yoga-Kursen oder im Coaching in der Natur.

Eva Spilker ist Mutter von zwei Kindern, von Greta und Anton, die inzwischen 11 und 8 Jahre alt sind. Sie erinnert sich gut an Momente wie diese: „Gerade will ich in meinen Online-Kurs starten, da läuft unser dreijähriger Anton durch das Bild und ich denke spontan: wie unprofessionell?“ Das sehen die Teilnehmerinnen allerdings gar nicht so. Sie sind verständnisvoll. Es stört niemanden, außer Eva selbst. Denn es führte ihr ihre aktuelle Lebensrealität vor Augen: die Herausforderung Familie und Selbständigkeit unter einen Hut zu bringen.

Für das Wohlbefinden anderer

Umso besser kann sie sich heute in die Frauen und Mütter hineinversetzen, die in für sie eine wichtige Zielgruppe sind. Da oft sie es sind, die in dem Bemühen, den Erwartungen und Wünschen aller anderen gerecht zu werden, ihre Bedürfnisse aus den Augen verlieren.

Es kann ein Kraftakt sein, sich den nötigen Freiraum zurückzuerobern, wenn die Akkus erst einmal leer sind. Wie schön, wenn es so weit gar nicht erst kommt. Wir sind uns einig. Auch darüber, dass insbesondere Frauen oft an ihren eigenen hohen Erwartungen scheitern. Dass sie die Latte zu hoch hängen, obwohl sie wissen, wie wenig machbar es zu dieser Zeit oder den gegebenen Umständen gerade ist. Dann sind Enttäuschung und Resignation vorprogrammiert und zwar unabhängig von der beruflichen oder fachlichen Qualifikation. Und doch suchen viele Frauen gerader hier nach dem ‚Fehler‘ im System. Oft packen sie dann auf die bereits vorhandene Belastung weitere drauf: vielleicht noch eine Fortbildung für ein vermeintlich notwendiges Zertifikat … und so weiter.

Mit Leib und Seele Mutter – und selbständig

Auch Eva war bestens qualifiziert, als sie sich für eine Selbständigkeit entschied, mit dem Schwerpunkt und der Leidenschaft für Kundalini-Yoga. Sie besitzt jede Menge Yoga- und Coaching-Erfahrung, von ihren ‚Soft Skills‘ ganz abgesehen. Ihre sanfte, behutsamen Art und ihr Einfühlungsvermögen beruhen nicht zuletzt auf eigener, gelebter Erfahrung: Als junge Frau reißt sie ein Schlaganfall aus den gewohnten Strukturen. Eva holt sich ihr Leben und Lebensglück zurück. Das Kundalini-Yoga spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es gibt ihr Kraft, stärkt Körper, Geist und Seele.

Eva erfüllte sich den Traum von Familie. Als die Kinder größer werden, spürte sie schließlich: „Ja, ich bin mit Leib und Seele Mutter, aber nicht nur. Ich bin immer noch Eva: die Frau, die studiert hat, internationale Hilfsprojekte vor Ort unterstützt hat. Eine Frau mit vielen Facetten, die ihre Talente leben möchte.“ Wie sie ihren Weg in der Selbständigkeit in machbaren Schritten weitergehen kann, war ein zentrales Thema in der systemischen Beratung.

Das ‚Wie‘ macht den Unterschied

Und bereits in der ersten Aufstellung wird deutlich, dass Eva nicht in ihren alten Beruf zurückgehen möchte, auch wenn ein Job vielleicht finanzielle Sicherheit geben würde. Aber auch eine Festanstellung würde eine entsprechende Organisation im Familienleben erfordern. Zumal eine Selbständigkeit den Vorzug hat, die Arbeitszeit flexibel einzuteilen. Unabhängig davon wurde deutlich, dass Eva ihre ‚Berufung‘ längst gefunden hat, als wir ihren Wunsch nach Selbständigkeit unter die Lupe nehmen. Viele Erkenntnisse dazu hatte sie auch schon im Schreibcoaching mit mir geklärt. Daher kannte sie auch meinen systemischen Ansatz und ich wusste ebenfalls, wie sie ihre Yoga-Kurse mit sehr viel Hingabe und Kompetenz gestaltet.

Aufstellen, durchatmen, weitergehen

Wir beschäftigten uns daher nicht damit, ob sie mit dem, was sie tut, richtig liegt. Es ging vielmehr um das ‚Wie‘ und um die Akzeptanz, die Umsetzung in kleinen, machbaren Schritten zu realisieren. Evas Schlaganfall, den sie nach ihrem Studium erlitten hatte, war in dem Beratungsprozess immer wieder ein Dreh- und Angelpunkt. Mit ihrer Erlaubnis weise ich darauf hin, denn dieser Teil ihrer Geschichte verdeutlicht ihre Authentizität. Eva weiß, wovon sie spricht. Sie weiß um die Verletzlichkeit des Menschen. Und dass es einen langen Atem braucht, in die ‚Welt des Business‘ zurückzufinden, wenn man erst einmal aus dem System gefallen ist. Es ist allerdings möglich – langsam, aber sicher.

Sinnerfüllend wirksam werden

Es ist schön, in der Systemaufstellung gemeinsam zu erleben, dass wir uns selbst gar nicht überholen können. Dass wir immer wieder an der Stelle ankommen, an der wir noch einmal überprüfen können, dürfen und – ich würde sagen müssen, – in welchem Tempo wir unsere Visionen verwirklichen können: die Idee einer Selbständigkeit zum Beispiel. Nach einigen Aufstellungen und bewegenden Begegnungen sind wir uns auch in diesem Punkt einig: Jeder Mensch hat ein individuelles Tempo. Für die eine oder den anderen mag es schneller gehen. Dem eigenen Rhythmus und Herzschlag zu folgen, ermöglicht jedoch eine gesunde Geschwindigkeit, eine wohltuende Entwicklung und die realistische Chance dort anzukommen, wo wir sinnvoll und sinnerfüllend wirksam werden können.

„Ich gehe. Schritt für Schritt. In meinem Tempo. Langsam, achtsam und einfach weiter. Wie eine Schnecke komme ich vorwärts. Es ist mir egal, wie schnell alle an mir vorbeihasten. Ich bleibe bei meinem Tempo, bei meiner Wahrheit. Meine Aufgabe hier: Entschleunigen. Ich lerne es selbst täglich neu. Mutig und aufrecht. Und spüre das Leben in mir.“ Eva Spilker

Illustration: karindrawings
Fotos: Eva Spilker