Interview mit Anja Mileweski

„Wer Bewusstsein schaffen will, muss Kommunikationsarbeit leisten.“ So sieht es auch Anja Milewski, Frontfrau für Gleichstellung der Stadt Nordhorn. „Wir machen unsere Erfolge und Entwicklungen durch aktive Pressearbeit, Veranstaltungen oder über Soziale Medien transparent“, erklärte sie mir im September letzten Jahres im Interview für eine 40-seitige Imagebroschüre zum 25. Jubiläum des Gleichstellungsbüros. Nun, ein Jahr später, bestätigt sie gern den Erfolg der Publikation als eines von vielen Etappenzielen in Sachen Gleichstellung.

25 Jahre Gleichstellungsarbeit in Nordhorn

Seit September 2007 leitet Anja Milewski das Büro für Gleichstellungsarbeit in Nordhorn. In der Stadt, die im Jahr 1992 eine echte Vorreiterin in der Region war. Die Stadtverwaltung schuf die erste Vollzeitstelle für eine ‚Frauenbeauftragte‘, wie diese seinerzeit hieß. Das sorgte innerhalb der Behörde für jede Menge Wirbel und rief Widerstand hervor. Gleichzeitig hatte es eine starke Signalwirkung und setzte Energien frei, die bis heute nachwirken. Ich selbst war beeindruckt davon, was engagierte Politikerinnen aller Parteien und Frauen unterschiedlicher Initiativen leisteten, um beispielsweise einen Sitz im Rat zu bekommen. In der Jubiläumsbroschüre, für die ich die Interviews führte, ist diese Entwicklung ‚historisch‘ festgehalten und zu lesen. Mich interessiert heute:

Anja, hast du mit der Broschüre dein Ziel erreicht?

Anja Milewski: Ja, auf jeden Fall. Die Zielgruppe war ja nicht die breite Öffentlichkeit, sondern in erster Linie die Ratsfrauen und Ratsherren, aber auch meine Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung, die selbst nur Ausschnitte aus unserer Arbeit mitbekommen oder miterlebt haben. Mit war es wichtig, das Jubiläum zu nutzen, um an 25 Jahre Gleichstellungsarbeit zu erinnern und diese zu bewahren. Denn bis zur Umsetzung der Broschüre hatten alle Erinnerungen daran in meinen Büroschränken geschlummert.

Die Dokumentation liefert nun einen Extrakt daraus und macht unsere Entwicklung und Erfolge für alle zugänglich. Im Rahmen der Vorarbeit und Recherche habe ich von einigen Kolleginnen erfahren, dass es in vielen Kommunen gar keine speziellen Frauenarchive oder Sammlungen über frauenpolitische Ereignisse in der jeweiligen Stadt überhaupt gibt. Das heißt: Wir müssen jetzt damit anfangen, die Ereignisse zu archivieren und zu ordnen – als erste Generation der Gleichstellungsbeauftragten. Abgesehen davon waren die Fotos in der Broschüre für viele ein schönes Wiedersehen mit zum Teil schon verstorbenen Gesichtern, an die Erinnerungen verknüpft sind. So ein ‚Weißt Du noch‘-Gefühl.

Was ist nach wie vor deine Kernbotschaft in Sachen Gleichstellungsarbeit, kannst du sie in aller Kürze auf den Punkt bringen?

Dass es bei den Fragen nach Gerechtigkeit und Chancengleichheit immer noch nötig ist, einen langen Atem und Geduld zu haben und immer wieder auch Kampfgeist zu zeigen. Die Widerstände vor 25 Jahren waren immens. Das zeigen ja vor allem die Interviews mit den alten ‚Häsinnen‘ und den Kommunalpolitikerinnen, die vor 25 Jahren in Nordhorn für Gleichstellung gekämpft haben. Die Widerstände, die wir heute überwinden müssen, sind vielleicht subtilere, aber da sind sie trotzdem.

Die Broschüre ist ein ausdrucksstarkes, lebendiges Zeitdokument. Die Gespräche mit den Politikerinnen haben auch mich bewegt und begeistert. Was war für dich an dem Projekt besonders?

Ich bin sehr geschichtlich orientiert und fand es besonders spannend, mich noch einmal so lebensnah mit der Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland zu beschäftigen und die Berichte der Frauen zu hören, die dabei waren und mitgestaltet haben – trotz größter Widerstände. Es war unglaublich, was sie damals im Rat erlebt haben und wie sie sich durchboxen mussten, um überhaupt angehört zu werden.

Auch du hast dich in den letzten 11 Jahren nicht entmutigen lassen. Was spornt dich immer wieder an? Was ist dir aktuell wichtig?

Ich liebe es, immer wieder neu entscheiden zu können, welche Projekte wir angehen. So entstehen neue Ideen, ob nun eine frauenpolitische Fahrradtour, ein Tanzworkshop gegen Gewalt an Frauen oder – ganz aktuell – die Stadtrundgänge für geflüchtete Frauen. Zusammen entdecken wir so das neue Hallenbad, die Angebote im Jobcenter, die Stadtbibliothek oder die Frauenberatungsstelle. Jeder Stadtrundgang steht unter einem anderen Thema und endet mit einer gemütlichen Teerunde, die Raum zum Austausch bietet. Neben der Wissensvermittlung geht es um die Erhöhung von Mobilität, die für geflüchtete Frauen eine große Rolle spielt. Auf diesem Weg vermitteln wir daher nicht nur Wissen und neue Kontakte, sondern geben auch die Chance zu einem neuen Selbstbewusstsein. Diese Entwicklung zu sehen, macht mir großen Spaß!

Dokumentation: 25 Jahre Gleichstellungsbüro der Stadt Nordhorn

Foto: a|w|sobott
Grafik/Titel: Simone van Nes