Volxtheater Bielefeld: bühnenreife Inklusion

Ein Leben ohne Theater? Niemals, sagt Frank Bartelniewöhner, der sich seit 1998 aktiv im Volxtheater engagiert. So lange lebt er auch schon in einer Einrichtung in Bethel, einem Stadtteil von Bielefeld. Als er hierherzog und von der Theaterwerkstatt Bethel hörte, war er begeistert. Wir sind es auch. Und haben dieses großartige Projekt besucht, um in den MITTEILUNGEN des Arbeitskreis Down-Syndrom Deutschland zu berichten. Seit Anfang 2020 machen wir das Magazin des gemeinnützigen Vereins.

Frank Bartelniewöhner unterstützt unsere redaktionelle Arbeit immer wieder gern. Diesmal hat er für uns den Kontakt zu Nicole Zielke hergestellt. Wir sprachen mit ihm und der leitenden Mitarbeiterin der Theaterwerkstatt Bethel über das Bielefelder Volxtheater, das über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt ist: als fantastisches Beispiel für künstlerische Inklusion auf der Bühne.

Auch mit Nicole sind wir schnell beim Du. Die Atmosphäre und der Umgang der Menschen in der Theaterwerkstatt sind locker und freundschaftlich. Kein Wunder, dass sich Frank hier zuhause fühlt. Auch wir fühlen uns sofort zugehörig.

Grenzen öffnen, nicht nur auf der Bühne

Die Theaterwerksstatt Bethel öffnet Grenzen, nicht nur auf der Bühne. Seit 1983 bringt sie Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten auf die Bühne. Künstlerisch Interessierte aus Bielefeld und Umgebung finden hier fachliche Unterstützung, ohne jegliche Voraussetzungen. Träger ist der Stiftungsbereich Bethel.regional der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Die Idee dazu entstand in den 80er Jahren. Aus langjähriger Erfahrung entwickelte sich die Volxkultur mit der Volxakademie und dem Volxtheater, initiiert von Matthias Gräßlin, der die Theaterwerkstatt seit 1994 leitet.

Das Volxtheater ist ein fantastisches Beispiel für gelebte Diversität. Es bringt gesellschaftliche Themen auf die Bühne und setzt literarische Stoffe neu um. Die Stücke sind Montagen aus Tanz, Theater, Musik und Performance, mal in Form einer Revue, mal als Collage, Performancefeld, Straßentheater oder in liturgischer Form.

Raum zur künstlerischen Entfaltung

Frank Bartelniewöhner ist 44 Jahre alt. Im Volxtheater kann er seine Leidenschaft für das Theater im Kreis Gleichgesinnter ausleben, zunächst als Schauspieler. Heute agiert er überwiegend hinter der Bühne. Ab 1998 spielte er in unterschiedlichen Ensembles und war an den großen Produktionen und Erfolgen beteiligt. »Das war eine tolle Zeit«, sagt er. Eine Zeit, die seinem Selbstbewusstsein gutgetan hat. Er liebt die Arbeit im Team und hinter den Kulissen. Aktuell haben seine Hobbys wie Judo oder Thai-Chi Vorrang. Und arbeiten müsse er ja auch noch, sagt der humorvolle Mann mit Trisomie 21 augenzwinkernd. Für die Sommerausgabe der MITTEILUNGEN erzählt er uns, wie er zum Volxtheater kam und warum es in seinem Leben eine so große Rolle spielt.​

Frank Bartelniewöhner und Nicole Zielke

Die Theaterwerkstatt ist für Frank mehr als ein Ort, an dem er gerne seine Freizeit verbringt oder zeigen kann, was in ihm steckt. »Auf der Bühne kann ich mich lösen und öffnen, zum Beispiel von der Anspannung bei der Arbeit«, verrät er uns. Hier kann er sein, wie er ist, echt und spontan. Niemand schaut ihn komisch an. Und falls doch, sagt er am liebsten: »Ich bin nicht so dämlich, wie ich aussehe« und lacht.

Emotionen in Bewegung setzen

»Außerdem ist Frank für uns wirklich eine Stütze«, sagt dazu Nicole Zielke. Die Soziologin mit Masterabschluss ist seit 2008 Mitarbeiterin der Theaterwerkstatt, sammelte Erfahrungen als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Volxakademie und promovierte während dieser Zeit. Mit viel Liebe und Leidenschaft für offene, experimentelle Theaterarbeit leitet sie die Bereiche Dramaturgie, Regie und Projektkoordination mit: offen, zugewandt und geduldig.

Die Idee der Theaterwerkstatt ist auch ihr persönliches Anliegen: die unterschiedlichen Interessen und Leidenschaften der Menschen in die Produktionen einfließen zu lassen. Dass sich jeder geborgen fühlt, die Möglichkeit hat, sich auszuprobieren und Impulse anderer aufzugreifen. »Es ist ein mega-dialogischer Austausch, der stattfindet«, sagt sie: »Wir sind stets im Kontakt miteinander. Daraus entstehen dann auch weitere Gruppen, Projekte oder Bands. Am Ende gehen alle gestärkt aus dem gemeinsamen Prozess heraus. Alle lernen unglaublich viel dazu, im Sinne einer stärkeren Präsenz und einem gestärkten Selbstbewusstsein – ob als Spieler:innen oder anleitende Personen. Es wird ganz viel in Gemeinschaft getragen und umgesetzt. Das macht auch die Stärke des Ortes hier aus.

Mehr dazu lesen Sie im vollständigen Bericht in den MITTEILUNGEN und auf der Website der Theaterwerkstatt Bethel.

Und hier geht es zu den aktuellen Veranstaltungen der Theaterwerkstatt Bethel

Foto: Matthias Gräßlin, Leon Rejschek